Böhmerwald früher und heute – eine Ausstellung wird digital
Einzig das große, dunkelgrüne Schild hängt noch über dem leerstehenden Pavillon der Glasmanufaktur Theresienthal. Die Einheimischen spähen weiterhin beim Sonntagsspaziergang oder beim Gassigehen in die Auslagen – und auch so mancher Geschäftsreisende lenkt sein Fahrzeug in der Hoffnung auf ein wenig Grenzgeschichte auf den verschneiten Parkplatz. „Da schmerzt es natürlich umso mehr“, seufzt Herbert Unnasch, Chef der ARBERLAND REGio GmbH, „dass wir unsere Ausstellung Pandemie-bedingt nie eröffnen konnten.“
Seit Sommer 2020 hatte die Regener Kreisentwicklungsgesellschaft gemeinsam mit der tschechischen Produktionsfirma Ekofilm Šumava und dem Nationalpark Šumava einen Multimedia-Raum im ehemaligen Glasmuseum erarbeitet, der auf die Rekonstruktion und Aufarbeitung, aber auch die Wiederentdeckung des gemeinsamen Grenzraumes abzielte. „Wir sprechen heute ja vom Bayerischen Wald hier und dem Šumava dort. Lange Zeit aber wurde diese Region schlicht Böhmerwald genannt und gehörte zusammen. Die Ausstellung hätte einen lebhaften Streifzug durch dessen bewegte Geschichte geboten“, schwärmt Unnasch.
Als zentrales Exponat war ein zwölf Meter langes und fünf Meter breites Reliefmodell geplant – von Nýrsko und Viechtach im Norden bis nach Český Krumlov, Plechý und Waldkirchen im Süden -, auf dem sich mittels Lichtprojektion Grenzen, Zonen, Städte und Siedlungen im Wandel der bayerisch-böhmischen Geschichte verschieben. Zudem wollte Miniaturen-Künstler Stanislav Vrška ganze Grenzdörfer – namentlich Wallern, heute Volary, Hůrka (Hurkenthal), Dolní Vltavice (Untermoldau) und Strážný (Kuschwarda) – vor den Augen der Betrachter*innen zu neuem Leben erwecken. Die malerischen Häuser, Bauernhöfe, Kirchen und Wirtshäuser samt ihrer menschlichen und tierischen Bewohnern entsprechen der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, vor dem Münchner Abkommen und den Beneš-Dekreten, welche die einstige Böhmerwald-Bewohner entzweiten und entvölkerten. Im liebevoll gestalteten Mini-Kino wären den Besucher*innen überdies 28 zweisprachige Kurzfilme geboten gewesen, die authentische Schicksale von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart der Region erzählen.
Die feierliche Eröffnung hatte man im Advent 2020 begehen wollen. Relief, Miniaturen und Filme sollten von einem Handwerkermarkt, verschiedenen kulturhistorischen Lesungen und Vorträgen begleitet werden. Erst ließen sich jedoch die dafür notwendigen Hygieneschutzmaßnahmen nicht umsetzen, dann folgte der zweite Lockdown. Anfang dieser Woche wurde die komplette Ausstellung nun nach Modrava im Okres Klatovy abtransportiert, wo sie wohl auch dem tschechischen Publikum verborgen bleiben wird.
„Es tut mir von Herzen leid um all die Mühen, Zeit und Hingabe, welche nun – scheinbar vergebens – in die Projektumsetzung geflossen sind“, meint Unnasch. Man hätte aus der Krise jedoch gar nichts gelernt, wäre da nicht der ein oder andere Workaround möglich gewesen: Das „Sekretariat für grenzüberschreitendes Netzwerkmanagement im Themenbereich Kultur und Tourismus“, welches bislang für die Vermarktung der Ausstellung verantwortlich gezeichnet hatte, wurde mit der Entwicklung eines digitalen Rundgang durch die Räumlichkeiten Theresienthals betraut.
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Das Projekt wurde gefördert vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Ziel ETZ Freistaat Bayern – Tschechische Republik 2014-2020 (INTERREG V). Das Marketing übernahm das „Sekretariat für grenzüberschreitendes Netzwerkmanagement im Themenbereich Kultur und Tourismus“, dessen Fördergeber das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat und das Tschechischen Ministerium für Regionalentwicklung sind.